Facebook, Instagram, Tinder, Snapchat – die Liste der Social-Media-Kanäle kann beinahe nach Belieben erweitert werden. Die Form der Selbstdarstellung in den Weiten des Internets ist nicht wirklich neu, ziemlich neu hingegen ist die Dimension, die sie zuletzt beim Anbieter Instagram annimmt. Eine neue Ära wurde eingeleitet: Die sogenannten Influencer. Das Wort leitet sich vom englischen Verb to influence ab, was im Deutschen mit beeinflussen übersetzt wird. Dabei handelt es sich um Menschen, die sich vor allem über die Portale Instagram und die Video-Plattform YouTube regelrecht vermarkten. Ob Modetipps, Schminkkurse, Infos zum richtigen Haareglätten, (vermeintliche) Hilfestellungen zur Ernährung oder Sportübungen – es handelt sich um eine schier endlose Liste. Das Angebot bei Instagram ist groß und nahezu für jede Nutzergruppe ist etwas dabei. Influencer sind mittlerweile regelrecht ins kollektive Bewusstsein einer neuen Generation gerückt, in deren Zentrum die Kommunikation über Social Media steht. Inzwischen werden auch sie auf Covern von Magazinen abgelichtet. Sogar eine Preisverleihung für die einflussreichsten Beeinflusser_innen Deutschlands gibt es – quasi die Oscars der Influencer, die live und zur besten Sendezeit am Abend im Fernsehen übertragen wird. Doch worum geht es eigentlich genau? Influencer bilden einen Nexus von Interessen. Das erste ist der bereits genannte Drang nach Selbstdarstellung der Influencer. Darüber hinaus gibt es von Seiten der Konsument_innen das Bedürfnis nach authentischen Produktempfehlungen sowie vermeintlich intimen Beziehungen. Zuletzt erhoffen sich Unternehmen einen profitablen Gewinn durch die Vermarktung ihrer Produkte.
Instadies, Instadas
Da wäre zum Beispiel die Facebook-Tochter Instagram. Dabei handelt es sich um einen kostenfreien Online-Dienst, über den Nutzer_innen Fotos und Videos verbreiten können. Ob dies öffentlich oder privat, also nur mit gewählten Personen, geschehen soll, können die Nutzer_innen selbst entscheiden. Influencer, egal ob selbsternannt oder nicht, wählen entsprechend ein öffentliches Teilen ihrer Inhalte. Schließlich soll Aufmerksamkeit generiert werden und das geht nun mal am besten mit möglichst vielen Followern (deutsch: Folgende). Was letztendlich gepostet wird, entscheiden die jeweiligen Profilinhaber_innen selbst und ist eng daran geknüpft, wie sie sich selbst darstellen möchten.
Als Beispiele für die einflussreichsten Influencer in Deutschland gelten unter anderem Bianca Heinicke, besser bekannt unter dem Namen Bibi oder Bibis Beauty Palace, die zunächst mit Hilfe von Videos mit Schminktipps auf YouTube bekannt wurde, bevor ihr Instagram-Profil nun von knapp sechs Millionen Menschen abonniert wird. Ihr Freund Julian Claßen ist hauptberuflich ebenfalls Instagram-Influencer, sodass die gemeinsame Schwangerschaft selbstverständlich für alle Interessierten mit Hilfe von Videos und Fotos zugänglich gemacht wird. Über das „Bibi-Baby” freuen sich sicherlich nicht nur die werdenden Eltern und deren treue Follower, sondern auch Unternehmen, die babybezogene Produkte verkaufen. Influencer-Expert_innen gehen davon aus, dass Bianca Heinickes Verkaufswert als Influencerin um fünf Prozent steigen wird, da ihr Baby und ihr baldiges Mamablogger-Dasein auch eine neue Zielgruppe eröffnet.
Dagi Bee, die mit Comedy-Videos auf YouTube berühmt geworden ist und derzeit von knapp über fünf Millionen Abonnent_innen auf Instagram täglich begleitet wird, bezeichnet sich in einem Zeit Interview als „das neue Fernsehen für die Jugendlichen da draußen”, aber gleichzeitig auch als eine Freundin, die ihre Zuschauer_innen bei typischen Teenager-Themen unterstützt.
Auch die erst 16-jährigen Zwillinge Lisa und Lena sind nicht nur deutschlandweit mit ihren Musik- und Tanzvideos bekannt geworden. Sie verzeichnen aktuell 13 Millionen Follower auf Instagram.
Influencer goes Marketing
Soweit so gut. Jetzt könnte man sich die Frage stellen, wozu das Influencer-Dasein denn eigentlich gut ist – abgesehen von Aufmerksamkeit. Die Antwort: als Marketinginstrument. In einer Zeit, in der sich junge Kunden und Kundinnen zunehmend von der bisher üblichen Werbewelt des Fernsehens, der Zeitschriften und Großflächenplakate abgewandt und dem Internet zugewandt hatten, stand das Marketing vor einer neuen Herausforderung. Käufer_innen sollten nun online erreicht werden. Da allerdings Adblocker diese Online Werbung wieder zunichtemachten, kamen den Marketingunternehmen die jungen Menschen, die auf ihren Social-Media-Kanälen immer mehr an Aufmerksamkeit und Followern gewannen, gerade gelegen.
Immer mehr Unternehmen setzen nun auf die einflussreichen Instagramnutzer_innen, um ihre Reichweite für den unternehmerischen Erfolg zu nutzen: Bibi wurde beispielsweise vom Reiseanbieter Neckermann eingesetzt. Sie zeigt sich in Videos mit dem neuen Neckermannkatalog und schwärmt von den verschiedenen Angeboten des Anbieters. Der Instagram-Star Caro Daur führt Kooperationen mit den Größen der Modewelt: Dolce & Gabbana, MAC (Make-Up Art Cosmetics), Cartier. In ihren Posts setzt sie sich elegant in Pose und versieht sie mit kaum dezent platzierten Product-Placements. Andere berichten ganz im Sinne des Blogs über ihre Erfahrungen mit Produkten, so z. B. Carsten Hard, besser bekannt unter Technikfaultier. Hard führt Testberichte mit technischen Geräten auf YouTube durch: mit Handys, Computern und allerlei technischem Schnickschnack, wie Star-Wars-Robotern. Dabei werden ihm die Produkte mitunter auf Initiative von den Unternehmen zugesandt, damit er ihnen eine entsprechende Plattform bieten kann.
Für Unternehmen scheint sich diese Art des Marketings durchaus zu lohnen. Die Digitalagentur Tamba gibt beispielsweise an, dass Unternehmen im Schnitt 6,50$ für jeden im Influencer-Marketing ausgegebenen US-Dollar verdienen. An der chinesischen Universität Yiwu Industrial & Commercial College wird währenddessen ein Studiengang angeboten, in dem Studierende alles Nötige lernen sollen, um letzten Endes ein erfolgreicher Influencer zu werden.
Influencer Marketing scheint für eine Win-win-Situation prädestiniert zu sein: Influencer wittern das große Geld und Unternehmen die enorme Reichweite. Trotzdem hat diese Form der Werbung gewisse Regeln: Es muss auf den ersten Blick ersichtlich sein, dass es sich bei diesem Post um Werbung handelt. Das klappt zumeist schon ganz gut, in anderen Fällen weniger. Beispielsweise wenn Produkte ungeschickt platziert werden oder wenn sie von einer Person beworben werden, deren Profil nicht mit dem der Marke übereinstimmen. Solche Authentizitätsmängel können im Internet schnell mit Spott und Hohn abgestraft werden. Auch wenn die Follower den Kaufempfehlungen der Influencer gerne nachgehen, werden nicht deutlich gekennzeichnete Product Placements den Influencern zunehmend übel genommen. So häufen sich Kommentare wie „geldgeil“ oder „Hast du das wirklich nötig?“ unter den Posts vieler Influencer.
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Spätestens an dieser Stelle stellt man sich als Leser oder Leserin die Frage: Aber warum funktioniert das eigentlich? Zur Beantwortung dieser Frage sollten diverse Komponenten herangezogen werden. Zum einen benötigt man eine Person, die sich gerne öffentlich zeigt; keine Scheu hat, fremden Menschen permanent Einblick in ihr Privatleben zu geben; über die Geduld und Motivation verfügt, regelmäßig neue Inhalte hochzuladen und die vor allem Spaß daran hat, sich selbst darzustellen und die eigene Person zu inszenieren. Aber viel wichtiger sind die Follower, die Konsument_innen der Influencer und damit auch die potenzielle Konsument_innenmasse der ins Spiel gebrachten Produkte. Ohne die Menschen, die täglich die Profile ihrer Lieblingsinfluencer regelrecht abklappern und sich alle Fotos und Videos ansehen, bevor sie diese mühsam einzeln kommentieren, um die Inhalte und Personen dann letzten Endes nachzunahmen, ohne diese Menschen würde das Modell des Influencers schlichtweg nicht funktionieren.
Mit den Influencern reagieren Unternehmen auf neue Entwicklungen innerhalb der spätmodernen Konsumkultur. Der Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich nahm in seinem Buch Habenwollen noch an, dass Unternehmen darauf setzen, ihre Marken möglichst unbestimmt zu präsentieren (man denke hier zum Beispiel an nichts und alles sagende Zigarettenwerbungen). Das verwirkliche eine möglichst breite Anschlussfähigkeit zu ihren Konsument_innen und deren je eigenen Projektionen. Abstrakte Produktpräsentationen ermöglichen einer breiten Masse die individuelle Identifikation mit den entsprechenden Produkten. Bei Influencern liegt es ganz gegensätzlich: Sie schaffen gerade eine authentische Beziehung zu den Konsument_innen. Sie erlangen ihr Vertrauen und können sich kaum leisten, dass die von ihnen beworbenen Produkte den Erwartungen ihrer Follower nicht gerecht werden. Denn sie stehen nun einmal mit ihrem Namen für die Produkte und haben einen Ruf zu verlieren. Auf der anderen Seite sind es die Konsument_innen, deren Bedürfnis nach Filterung von Informationen in der Produktflut einen fruchtbaren Boden für das „Influencertum“ geschaffen hat. Dabei ist es eigentlich keine neue Sache, dass „Autoritäten” aus dem kulturellen Leben Produkte bewerben. Klassische Werbestrategien haben immer mit Stars zusammengearbeitet. David Beckham posiert für Calvin Klein in Unterwäsche, Heidi Klum beteuert, dass die Süßigkeiten von Katjes mit einer Modelfigur völlig d’accord gehen. Doch fehlt in klassischer Werbung die Möglichkeit zur Interaktion zwischen Konsument_in und Werbenden (oder zumindest der Glaube daran). Darüber hinaus rücken die Unternehmen durch die Influencer in den Hintergrund. Mit herkömmlicher Werbung ist es völlig offen, dass die Unternehmen durch jegliche Maßnahmen versuchen, ihr Produkt unter die Menschen zu bringen. Influencer beteuern die Echtheit, die Qualität des Produkts ohne primär im Verdacht zu stehen, ihre Follower bloß instrumentell als Konsummasse zu begreifen. Influencer Marketing ist eine Art von Mundpropaganda bzw. Word of Mouth Marketing, bei dem Produkte durch eine vertrauenswürdige Person weiterempfohlen werden. Influencer agieren heute als virtuelle Freunde, deren Meinung und Stil gerne adaptiert wird, da sie, wie bisher Schauspieler_innen, Musiker_innen und weitere Personen des öffentlichen Lebens, neue Trends vorleben. Im Gegensatz zu solchen Berühmtheiten wirken Influencer gleichzeitig noch authentisch und nahbar. So liegt es nun nicht mehr in der Verantwortung der Unternehmen, sich als gutes Unternehmen, das nur den Bedürfnissen seiner Konsument_innen dienlich ist, zu verkaufen, sie setzen auf Influencer, die durch ihre Authentizität und scheinbare Nähe zum Erwerb und Konsum von Produkten anregen.