Viel Wissen um nichts?

„Zu wissen, was man weiß, und zu wissen, was man tut, das ist Wissen.“

Liebe Leser_innen,

in einer komplexen Welt mit einer unüberschaubaren Flut und Vielfalt von Informationen, gewinnen Wissensprozesse und Ungewissheit zunehmend an Relevanz. In einer Pressekonferenz im Jahr 2002 formulierte der frühere amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld einen Gedanken, der die Essenz des Wissens bzw. Nichtwissens zusammenfasst: Es gibt Dinge, die wir wissen (bekannte Tatsachen), es gibt Dinge, die wir nicht wissen (bekannte Unbekannte – wie groß ist das Universum?) und es gibt Dinge, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen (unbekannte Unbekannte). Eine unbekannte Unbekannte ist zur damaligen Zeit beispielsweise die Entwicklung des Internets gewesen oder der Zusammenbruch der Wirtschaft im Jahr 2008 – Ereignisse, die nicht vorhersehbar waren. Wir neigen dazu, unser Wissen über die Welt zu überschätzen, eingebettet in ein übermäßiges Vertrauen in das, was wir zu wissen glauben. Dabei ignorieren wir jedoch das Ausmaß unseres Unwissens und der Unbestimmtheit der Welt.

Das menschliche Gedächtnis ist fehlbar und Erinnerungen können verzerrt sein. Durch ein blindes Vertrauen in die Vorhersehbarkeit der Welt, kann eine illusorische Gewissheit entstehen – gestützt auf retrospektiven Einsichten. Der Prozess, durch den eine Erfahrung als physische Erinnerung im Gedächtnis abgelegt wird, wird als biologische Prägung verstanden: Wie entstehen Erinnerungen und wie funktioniert der Lernprozess? Darüber hinaus kann die Erinnerung an ein gemeinsames Erlebnis das gemeinschaftliche Leben und Denken signifikant prägen – dies wird als kollektives Gedächtnis bezeichnet. „Zwischen Wissen und Fühlen“ – so können auch das Zusammenspiel von Intuition und Reflexion sowie die daraus resultierenden kognitiven Verzerrungen beschrieben werden: Systematische Fehlschlüsse und falsche Einschätzungen prägen das alltägliche Leben, Denken und Handeln. Dies zeigt sich auch in der Politik: Durch eine gezielte Anwendung von Sprache können gesellschaftliche Zusammenhänge unterschiedlich interpretiert werden. In Zeiten einer Wissens- und Informationsgesellschaft gewinnt außerdem die Bedeutung des Nichtwissens zunehmend an Relevanz: Der Ausspruch „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, veranschaulicht hier den Kern der Problematik. Können denn zumindest Umfragen oder sogenannte Meinungsbilder Wissen generieren? Der Sinn und Zweck dieser sollte kritisch hinterfragt werden: Vielleicht liegt ihr Wert ja nicht nur darin begründet, Handlungsanleitungen für individuelle Entscheidungen darzustellen. Wissen ist Macht – diese bekannte Redensart suggeriert, dass sich gesellschaftliches Wissen und Machtverhältnisse gegenseitig bedingen. Doch was sagen die Dogmen unserer Wissensproduktion über unser Denken und wissensbedingte Legitimationen aus? Fasst man die Gesamtheit aller Wissenschaften als ein System auf, entsteht der sogenannte Baum des Wissens – Wissen erlangt hier eine spezifische Struktur und bildet einen in sich zusammenhängenden Organismus. Wie verhält es sich jedoch mit dem Wissen über die Zukunft? Die Wissenschaft kann es uns ermöglichen, die Zukunft zu prognostizieren, um die Fülle jener unbekannten Unbekannten zu reduzieren. Und die Wirklichkeit? Diese können wir uns nicht beliebig aussuchen: Es gibt sie, die objektiven Tatsachen, die bekannten Tatsachen – oder nicht?

 

Was können wir wissen? Was sollen wir wissen? Was wollen wir wissen?

Wir freuen uns, diese und weitere Fragen sowie Problemstellungen mit euch teilen zu können und präsentieren euch nun die fünfte philou. Durch den Fokus auf die Diversität und Interdisziplinarität der Themen wollen wir zeigen, dass das inneruniversitäre Gespräch eine der höchsten Prioritäten genießen muss. Wir wollen euch hiermit Anreize zu neuen Überlegungen liefern und hoffen, dass euch die fünfte Ausgabe genauso gefällt wie uns!

Eure philou. Redaktion

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