Like, Like, Nope, Super Like, Like, It’s a match, Keep sliding. Unsere Liebeskultur hat sich verändert – und dies erkennt man vor allem, wenn man die heutigen Partnerbiografien mit denen vorheriger Generationen vergleicht. Beziehungen sind nicht nur flüchtiger geworden, sondern auch seriell (vgl. Dekker/ Matthiesen 2004: 52f). In manchen Lebensmomenten treten sogar Mehrfachbeziehungen auf. Warum also sind Partnerschaften zerbrechlicher geworden?
Bevor man sich mit dieser Frage auseinandersetzen kann, muss zunächst verstanden werden, welche Faktoren zu der Zufriedenheit und Stabilität einer Beziehung beitragen. Laut Rusbults Investitionsmodell existieren drei Faktoren, die Partnerschaften beeinflussen: das Verhältnis von Kosten und Belohnungen, die Anzahl (und Qualität) der Alternativen und die Investitionen in die Beziehung (vgl. Rusbult 1983: 45, 101ff.). Je höher Zufriedenheit und Investitionen und je geringer die Alternativen sind, desto stärker ist die Festlegung bzw. Stabilität der Partnerschaft.
Mit dem Wandel der Beziehungsformen haben sich verschiedene Soziologen und Psychologen beschäftigt, unter anderem Zygmunt Bauman, der die Schnelllebigkeit heutiger Beziehungen mit der Metapher Liquid Love, das heißt die Verflüssigung unserer Liebeskultur, beschreibt. Grund für dieses Phänomen sei die aktuelle Tendenz zum Konsumdenken und die damit zusammenhängende sofortige Befriedigung unserer Bedürfnisse (vgl. Bauman 2007: 156). Wenn etwas nicht mehr wie vorher funktioniert, ist es einfacher und schneller, etwas Neues zu kaufen, als das Alte zu reparieren. Wenn ein Liebesverhältnis nicht mehr funktioniert, ist es einfacher, die Beziehung abzubrechen, als das tatsächliche Problem zu lösen. „Bei Konsum geht es nicht um die Anhäufung von [Liebesaffären], sondern um ihre Verwendung und Entsorgung nach dem Gebrauch, so dass Raum für neue [Abenteuer] geschaffen werden kann“ (Bauman 2003: 12, 49). Das Leben eines Konsumenten dreht sich darum, in Bewegung zu sein; deshalb werden Leichtigkeit und Geschwindigkeit, Neuheit und Vielfalt bevorzugt (vgl. Bauman 2003: 49).
[su_pullquote align=“right“ class=“konsum rot“]When the quality lets you down, you seek salvation in quantity. When duration is not on, it is the rapidity of change that may redeem you.
(Bauman, 2013)[/su_pullquote]
Die kurze Lebenserwartung der Beziehungen und ihr prädestiniertes Ende werden jedoch vom Verbraucher erwartet und sogar akzeptiert (vgl. Bauman 2007: 113). Demzufolge investieren Menschen weniger in Beziehungen, was gleichzeitig zu einer mangelnden Qualität der Verhältnisse führt (vgl. Bauman 2003: 13ff; Beck/ Beck-Gernsheim 1995: 45ff.). „When the quality lets you down, you seek salvation in quantity. When duration is not on, it is the rapidity of change that may redeem you”. (Bauman 2013: 58). Außerdem haben zunehmend individualistisch ausgeprägte Tendenzen einen bedeutenden Einfluss hierauf, da die eigenen Wünsche vorrangig betrachtet werden: „Die Moderne hat ein Kräftefeld aufgebaut, das alle Gegenstände, Verhältnisse und Verbindlichkeiten destruiert, transformiert und optioniert“ (Schimank/ Volkmann 2008: 98). Die Individualisierung bringt Freiheit mit sich, aber auch eine komplette Ablehnung gegen jegliche Art von Freiheitseinschränkung (vgl. Bauman 2007: 139). Pflichten werden in einer individualistischen Gesellschaft als Last betrachtet, sich so viele Optionen wie möglich freizuhalten hingegen als Erfolg (vgl. Bauman 2003: 58). Da Beziehungen eindeutig Verbundenheit und Verpflichtungen erfordern, müssen diese flüchtiger werden, sodass man ein Gleichgewicht zwischen dem tief-menschlichen Verlangen nach Zugehörigkeit und dem Bestreben nach Freiheit finden kann (vgl. Bauman 2007: 139).
Wegen dieses gesellschaftlichen Wertewandels sind „Selbstentfaltungswerte bedeutsamer geworden, Pflicht- und Akzeptanzwerte haben sich jedoch gleichzeitig verringert“ (Peuckert 1991: 192f). Beck/ Beck-Gernsheim (1995: 168ff.) behaupten, dass dies nicht nur mit dem Individualisierungstrend, sondern auch mit der Idealisierung des Konzepts Liebe verbunden ist. Die Ideen der Romantik aus dem 18. Jahrhundert prägen demnach weiterhin unsere Vorstellung von Beziehungen: Wahre Liebe soll die Antwort auf alle Einsamkeitsgefühle sein und mit der gegenseitigen, vollständigen Annahme aller Eigenschaften (unter ihnen natürlich auch Mängel) unseres Partners gleichgesetzt werden. Diese „gestiegenen affektiv-emotionalen Ansprüche an eine bestimmte Qualität der […] Partnerschaft“ (Peuckert 1991: 193) bringen das Verhältnis von Belohnungen und Kosten in der Beziehung aus dem Gleichgewicht. Demzufolge vergrößert sich die Instabilität der Liebesverhältnisse.
Hinzu kommen nach Bauman die sozialen Netzwerke, die „symptomatisch für die Verflüssigung der Liebe“ sind (Bauman 2003: 58ff.). Die heutige Gesellschaft hat dort ein Weg gefunden, neue Möglichkeiten für den sexuellen Trieb der Menschen zu erschließen, was am Beispiel der Dating-App Tinder zu erkennen ist. Im Vergleich zu Beziehungen „erfordern Kontakte weniger Zeit und Aufwand, erstellt zu werden, und weniger Zeit und Aufwand, beendet zu werden“ (Bauman 2003: 62). Somit verwandelt sich die Partnersuche in eine Freizeitbeschäftigung, in der Menschen als „weitgehend verfügbar“ gesehen werden, da man immer die „Löschtaste drücken kann […] und zurück in den Marktplatz für eine neue Einkaufsrunde gehen kann“ (Bauman 2003: 65). Die neuen Technologien bieten nicht nur eine Risikoreduktion und ein breites Spektrum an menschlichen Angeboten, sondern vermeiden auch, andere Optionen zu verpassen – obwohl sie auch unsere Partnerschaftskultur fragiler machen. Für Bauman wird diese Realität zum Teufelskreis: „Je flüchtiger [das] Lebensumfeld, desto mehr potentielle Konsumobjekte brauchen die Akteure“, um unerwartete Folgen zu vermeiden (vgl. Bauman 2007: 114). Folglich wird Liebe zu einer „endlosen Abfolge von Versuch und Irrtum“ (Bauman, 2007, S. 114), zur „unentwegten Suche nach dem Höheren“ (Horx 2017: 114, 143), nach dem perfekten Partner.
Partnerschaftbiographien 1930 – 1970
Partnerschaftbiographien 1970 – heute
Quelle: Future Love, M. Horx
In einer Welt, in der man das Handy in zwei oder drei Jahreszyklen wechselt und es jede Saison einen neuen Modetrend gibt, überrascht es nicht, dass selbst menschliche Beziehungen, in unserer Tendenz zum Konsumdenken, untergegangen sind. Eine Gesellschaft, in der Neuartigkeit und Vergänglichkeit überwiegen, schafft unvermeidlich ein flüchtiges Lebensumfeld für den Verbraucher. Dies wiederum führt dazu, dass zunehmend mehrere Konsumobjekte benötigt werden, sodass man kein unnötiges Risiko eingehen muss (vgl. Bauman 2003: 114). Die Liebesbiografie eines Konsumenten muss darum eine endlose Abfolge von Versuch und Irrtum sein: ein Leben mit andauerndem Experimentieren, mit der ewigen Hoffnung auf ein überzeugendes Ergebnis.
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Literatur
Bauman, Z. (2003): Liquid Love: On the Fragility of Human Bonds. Cambridge: Polity.
Bauman, Z. (2007): Consuming Life. Cambridge: Polity Press.
Beck, U./ Beck-Gernsheim, E. (1995): The Normal Chaos of Love. Cambridge: Polity.
Dekker, A./ Matthiesen, S. (2004): Beziehungsformen im Lebensverlauf dreier Generationen: Sequenzmusteranalyse von Beziehungsbiographien 30-, 45- und 60-jähriger Männer und Frauen in Hamburg und Leipzig. In: Zeitschrift für Familienforschung, 16. Jg. 2004/01. S. 38-55.
Horx, M. (2017): Future Love. Die Zukunft von Liebe, Sex und Familie. München: Deutsche Verlags-Anstalt.
Peuckert, R. (1991): Familienformen im sozialen Wandel. Opladen: Leske+ Budrich.
Rusbult, C. E. (1983). A longitudinal test of the investment model: The development (and deterioration) of satisfaction and commitment in heterosexual involvements. In: Journal of Personality and Social Psychology. 45. Jg 1983/01. S. 101-117.
Schimank, U./ Volkmann, U. (2008): Soziologische Gegenwartsdiagnosen I: Eine Bestandsaufnahme. Wiesbaden: Springer-Verlag.