Verant[wort]ung

Was einen Schriftsteller ausmacht, ist nicht die Handlung des Schreibens selbst, sondern die Fähigkeit, die scheinbar unwichtigen Dinge der Unklarheiten des Lebens zu abstrahieren. Dies unterscheidet ihn von all den Menschen, die reden und erzählen und vielleicht auch viel zu sagen haben, diese Dinge aber nie aufschreiben und zu einem Text verarbeiten. Der Publizistikwissenschaftler spricht an dieser Stelle von einer Berufung dazu: Man müsse „ein impulsives Sendungsbewusstsein und die Triebkräfte publizistischen Wollens verspüren“ (Dovifat 1967: 33). Somit wird der Schriftsteller zum Lehrer, Kritiker und Kommentator unserer Gesellschaft: Jemand, der andere Menschen dazu bringt, auf sich selbst zu schauen und reflektiert zu handeln. Das Wort ist seine Waffe und das Papier sein Schlachtfeld – und genau dort liegt seine Verantwortung.

In der Gruppe der Schriftsteller finden sich jedoch verschiedene Kategorien von schreibenden Menschen, deshalb konzentriert sich dieser Text auf die Verantwortung des Journalisten, die in den Zeiten der Fake News häufig in Frage gestellt wird.

Journalisten erfüllen für die demokratische Gesellschaft grundlegende Aufgaben: Sie recherchieren, selektieren, bearbeiten und veröffentlichen Informationen in Form von Nachrichten, Beiträgen oder Reportagen. Sie moderieren das Zeitgespräch der Gesellschaft. Durch ihre Interpretationen und Kommentare tragen sie zur Meinungsbildung bei. Im Kern geht es im Journalismus um das Recht zur freien Meinungsäußerung, „woraus sich Journalisten und Journalismus legitimieren und wofür sie eine Verantwortung übernommen haben“ (Boventer 1984: 381). Für den Journalisten ist daher die Meinungsäußerungsfreiheit nicht nur ein Individualrecht, sondern auch ein Lebensziel, das durch Praxis erreicht werden soll. In der Verantwortung des Journalisten liegt es, sich ein Herz zu fassen und sowohl über die Stärken als auch die Schwächen der eigenen Gesellschaft zu reden. Dabei geht es um den Mut über das zu schreiben, worüber man lieber nichtmal sprechen würde; den Mut, zu fragen, was viele nicht beantworten möchten; den Mut zu kritisieren, sich zu positionieren, zu kämpfen und sich manchmal auch zu irren.

Falsch zu liegen, bedeutet jedoch für einen Journalisten, dass sein Fehler viele verschiedene Menschen erreicht: Die totale Präsenz der Medien hat Journalisten versehentlich selber mächtig gemacht. Nicht umsonst werden die Medien als „vierte Gewalt“ bezeichnet (Schulz 2000). Darum ist die Verpflichtung zur Wahrheit in Bereichen wie dem Journalismus und wissenschaftlichem Publizieren durchaus wichtig. Der Journalist hat die Verantwortung, seinen Gegenstand zu erforschen bzw. zu recherchieren. Dabei muss er sogar sich  selbst erforschen, nämlich den Gegenstand seines Artikels. In diesem Sinne bedeutet Schreiben auch Denken. Und allein schon daran zu denken, dass das Geschriebene gedruckt wird, fordert die Erkenntnis, dass man als Journalist für die Folgen und Wirkungen von Recherche und Veröffentlichung verantwortlich ist. Letzendlich gibt es „kein Tun ohne Täter, keine journalistische Wirkung ohne einen Handelnden“ (Boventer 1984: 414). Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass der Journalist im Ballwechsel mit dem Leser agiert: Auch unsere Gesellschaft müsste für einen verantwortungsvollen Umgang mit den (Massen-)Medien sensibilisiert werden und eine mehr oder weniger kritische Lesehaltung einnehmen.

Die Frage der Verantwortung beim journalistischen Arbeiten verweist schließlich auf die personale Verantwortung, welche sowohl Handlungen als auch Einstellungen betrifft. Die Aufgabe des Journalisten umfasst dabei, Denken und Tun – in diesem Fall Schreiben – nach selbst ermittelten, rational begründeten Maßstäben auszurichten. Und natürlich auch für die daraus entstehende Folgen und Wirkungen einzustehen, zumindest soweit der eigene Handlungsspielraum reicht.


Literatur:

Boventer, H. (1984): Ethik des Journalismus. Zur Philosophie der Medienkultur. Konstanz: Universitätsverlag.

Dovifat, E. (1967): Zeitungslehre. 2 Bände. Berlin: De Gruyter. 6. Auflage 1976.

Schulz, A. (2000): Der Aufstieg der „vierten Gewalt“. Medien, Politik und Öffentlichkeit im Zeitalter der Massenkommunikation. Historische Zeitschrift 270: S. 65–97.

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