Guter Stoff, böser Stoff

Im Profisport ist der Einsatz verschiedener Dopingmittel zur optimierten Leistungssteigerung des Körpers kein Geheimnis. Zur Verfügung steht eine Reihe von sowohl legalen als auch illegalen Mitteln, die beispielsweise Auswirkungen auf die Ausdauer, Kraft oder auf die Wahrnehmung haben. Beim Neuro-Enhancement (oder allg. Hirndoping) ist das Ziel nicht wesentlich anders: psychoaktive Substanzen, wir beziehen uns hier ausschließlich auf Koffeine, Amphetamine, Methylphenidate (Ritalin) oder Modafinil, werden zur vermeintlichen geistigen Leistungssteigerung eingenommen. Ob gesunde Menschen solche Mittel langfristig ohne unerwünschte Nebenwirkungen konsumieren können, ist nach wie vor ungeklärt.

Obwohl im Profisport oftmals auf illegale Dopingmittel getestet wird und Sportler bei Verstoß von Wettkämpfen ausgeschlossen werden können, sind durch das Neuro-Enhancement bewirkte Wettbewerbsvorteile im Alltag kaum sanktionierbar. Eine effektive Regulierung des sogenannten Hirndopings

stellt sich zugegebenermaßen auch sehr schwierig dar:  Erstens wie sollen Menschen daran gehindert werden, Stimulanzien oder Medikamente zur Verbesserung der kognitiven Leistungen in Prüfungssituationen oder bei der Arbeit zu nehmen? Hirndopingkontrollen – analog zu Dopingkontrollen im Profisport – ließen sich nur unter schweren Eingriffen in die persönliche Freiheit realisieren.

Zweitens die Frage nach der Trennschärfe der Begriffe wie Droge und Medikament, die wir im nächsten Schritt auf die Begriffe des Neuro-Enhancements und Hirndopings anwenden wollen. Zur hinreichend genauen Unterscheidung des ersten Begriffspaars ist ein Merkmal besonders hervorzuheben: die Frage nach dem zugrunde liegenden Zweck. Wird das Mittel zur Linderung eines Leidens verabreicht und verfolgt damit gezielt therapeutische Zwecke oder steht die sedierende respektive euphorisierende Wirkung im Vordergrund; wird es zum Spaß bzw. zur Gestaltung der Freizeit eingesetzt? Wie anfangs schon angemerkt, lässt sich dieses Unterscheidungsmerkmal nur bedingt auf das Neuro-Enhancement und  Hirndoping  anwenden, was nahelegt, anhand des eingenommenen Mittels zu unterscheiden. Wenn es sich um verschreibungspflichtige Medikamente oder illegale Drogen handelt, würde man im Alltagsverständnis wohl von Hirndoping sprechen. Doch ist der morgendliche Kaffee, die Vitamintablette oder gar Apfel, Banane und Co schon Neuro-Enhancement? Obwohl sich unser Alltagsverstand stark dagegen wehrt, ist dies streng genommen der Fall. Zur präzisen Bestimmung sollten deshalb weitere Merkmale angeführt werden, wie beispielsweise die relative Intensität des zugeführten Mittels. Das hätte einerseits den Vorteil, dass stark konzentrierte Stoffe wie Koffein in Tablettenform gegenüber Genussmitteln wie Kaffee oder üblichen Nahrungsmitteln abgrenzbar wären. Letztlich können solche Definitionsversuche der realen Praxis nur nacheifern. Denn was für unsere Gesellschaft als Droge, was als Medikament zählt, ist unweigerlich von politischen Debatten abhängig, die oftmals weniger rational, sondern eher willkürlich geführt werden. Man denke nur an die Aussage der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler, die in einem Interview auf die Frage nach der Legalität von Alkohol und der Illegalität von Cannabis nur antwortete: „Weil Cannabis eine illegale Droge ist. Punkt.“

Obwohl in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema des Neuro-Enhancements bzw. Hirndopings die Validität der zugrunde liegenden Studien – unter anderem wird von einer Phantomdebatte gesprochen – angezweifelt wird, ergeben sich weiterhin nicht unerhebliche moralische Konsequenzen: Wenn Konsumenten sich einen Vorteil durch verschiedene Mittel verschaffen, setzen sie damit gleichzeitig andere Menschen, die die Einnahme verweigern, unter Druck. Der Konkurrenzdruck zwingt also indirekt zur Einnahme. Ferner umfasst die Thematik auch gesellschaftspolitische Dimensionen. Was für eine Leistung soll durch die genannten Präparate gefördert werden? Eine Pille zur Steigerung der Kreativität gibt es bisher nicht, aber in einem Bildungssystem, welches fast ausschließlich auf die penible Reproduktion von Wissen ausgerichtet ist, repräsentiert der Drang zur Wunderpille nur die neue Religion der Selbstoptimierung.

 

Koffein

Koffein ist wohl eine der bekanntesten und weltweit am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen. Oftmals ist es Bestandteil von Genussmitteln wie Kaffee, Cola, Tee, Mate und Energy-Drinks. Grundlegend führt Koffeinkonsum in geringen Mengen zur Steigerung der Aufmerksamkeit, zur Verbesserung des Konzentrationsvermögens sowie zur Beseitigung von Müdigkeitserscheinungen. Bei starker Einnahme über mehrere Tage entwickelt sich eine körperliche Toleranz, die wiederum für die Betroffenen nur durch einen vermehrten Konsum ausgeglichen werden kann. Wenn der Koffeinkonsum plötzlich stark eingeschränkt wird, können sogar Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Energieverlust und Schläfrigkeit auftreten, welche aber kurzfristig wieder abklingen. Des Weiteren können bei Dosen von mehr als einem Gramm Erregungserscheinungen, ein stark erhöhter Puls sowie Herzrhythmusstörungen auftreten.

 

Amphetamine

Medizinisch werden Amphetamine eingesetzt als Mittel bei Narkolepsie und ADHS – die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, welche insbesondere bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen auftritt. Bei den meisten Menschen löst Amphetamin Euphorie aus, erhöhte Wachheit und Konzentrationsfähigkeit, gekoppelt mit Appetitlosigkeit. Sechs bis acht Stunden nach dem Gebrauch kommt es zum sogenannten Abturn; Nervosität, Schwitzen, Kopfschmerzen und sogar depressive Symptome sind üblich.

Die abwechselnde Einnahme von Uppern (Stimulanzien wie die Amphetamine) und Downern (Beruhigungsmittel wie z.B. Cannabis) kann schnell in eine Suchtspirale führen. Regelmäßiger Konsum erhöht zusätzlich die Reizbarkeit und Aggressivität. In Deutschland sind alle amphetaminhaltigen Arzneimittel rezeptpflichtig und müssen auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden. Sie werden nur verschrieben, sofern Methylphenidat und Atomoxetin zuvor keine oder unzureichende Wirkung zeigten. Amphetamine sind auch in der Drogenszene beliebt und unter Bezeichnungen wie Pep oder Speed bekannt.

 

Methylphenidat

Methylphenidat (Handelsname Ritalin) ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Amphetamine mit stimulierender Wirkung auf das zentrale Nervensystem. Es wird auch zur Behandlung bei ADHS und Narkolepsie eingesetzt, bei letzterer jedoch eher selten. Methylphenidat wird als sogenannte Smart Drug zur kognitiven Leistungsförderung auch von Studierenden missbraucht, um die akademischen Leistungen zu verbessern. Durch die Freisetzung von Dopamin sind die Effekte ähnlich wie bei Kokain. Wie bei den Amphetaminen führt die Einnahme von Methylphenidat zu einem High, verbunden mit einer erhöhten Leistungsfähigkeit.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Schlaflosigkeit, Krämpfe, Ticks, Übelkeit und Gelenkschmerzen.

 

Modafinil

Modafinil ist in erster Linie ein Arzneimittel zur Behandlung von Narkolepsie und fällt in Deutschland unter die normale Verschreibungspflicht – formal zählt es damit nicht zu den Betäubungsmitteln. Es gehört zur Gruppe der wachhaltenden, psychostimulierenden Substanzen, hat aber keine strukturellen Ähnlichkeiten mit den Amphetaminen. Modafinil fördert zentral die Wachheit und die Aufmerksamkeit und steigert die motorische Aktivität. Ob es die Stimmung beeinflusst und euphorisiert, ist umstritten.

Der genaue Wirkungsmechanismus dieser Substanz ist zwar nicht bekannt, bei einer Vergleichsstudie konnte jedoch aufgezeigt werden, dass sich die Wirkung erst bei komplexen Aufgaben richtig entfaltet: Es verbesserte die Entscheidungsfähigkeit und das strategische Denken. Modafinil kann sowohl als Smart Drug als auch als Dopingmittel im Wettkampf verwendet werden. Daher steht es auf der Verbotsliste der Anti Doping Agentur Deutschland.

 

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Weiterführende Literatur

Glaeske, G. et al. (2015): Medikamentenabhängigkeit. In: Suchtmedizinische Reihe, Band 5. Hamm: Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V

Schiffmann, I. (2011): Mit Pillen gegen die Prüfungsangst. In: Frankfurter Allgemeine, 02.04.2011.

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