Bildungssysteme

Qualifikation

Der Begriff Qualifikation wird vom Rat der Europäischen Union (2017: 20) definiert, als „das formale Ergebnis eines Bewertungs- und Validierungsprozesses, bei dem eine dafür zuständige Stelle festgestellt hat, dass die Lernergebnisse einer Person vorgegebenen Standards entsprechen“.

Qualifikationsrahmen

Ein Qualifikationsrahmen beschreibt die Qualifikationen, die innerhalb eines Bildungssystems erworben werden können. Die Qualifikationen ergeben sich aus den erworbenen Kompetenzen und Lernergebnissen. Um die Qualifikationen vergleichbar zu machen, werden diese in Niveaus unterteilt, die in aufsteigender Reihenfolge gestaffelten Leistungsstufen entsprechen (Rat der Europäischen Union 2017: 15). Durch die Niveaus wird ersichtlich, welche Kompetenzen Personen mit den jeweiligen Qualifikationen (z.B. Bachelor, Master oder Promotion) besitzen sollen (vgl. BMBF o. D.).

Europäischer Qualifikationsrahmen

Der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) wurde 2008 von den europäischen Institutionen verabschiedet und 2017 überarbeitet. Er dient dazu, international erworbene Qualifikationen kenntlich und vergleichbar zu machen und somit unter anderem Beschäftigungsfähigkeit und Mobilität zu verbessern (vgl. Rat der Europäischen Union 2017). Dabei deckt er „alle Arten und Niveaus von Qualifikationen ab“ (europass o. D.: para. 2). Der EQR unterteilt dabei acht unterschiedliche Niveaus, die anhand der Kategorien: Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenz beschrieben werden (vgl. Rat der Europäischen Union 2017). Um erworbene Qualifikationen vergleichbar zu machen, müssen die Niveaus der nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) denen des EQR zugeordnet werden.

Deutscher Qualifikationsrahmen

Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) ist einer der nationalen Qualifikationsrahmen, der 36 Länder, die sich der Umsetzung des EQR verpflichtet haben (vgl. europass o.D.). Er unterteilt die im deutschen Bildungssystem erworbenen fachlichen und personalen Kompetenzen in acht Niveaus, die den Niveaus des EQR zugeordnet werden können (vgl. AK DQR 2011). Diese acht Niveaus „beschreiben jeweils die Kompetenzen, die für die Erlangung einer Qualifikation erforderlich sind. Diese bilden jedoch nicht individuelle Lern- und Berufsbiographien ab“ (AK DQR 2011: 2). Der DQR unterteilt diese Kompetenzen in zwei Kategorien: Fachkompetenz und Personale Kompetenz und die Subkategorien Wissen und Fertigkeiten sowie Sozialkompetenz und Selbstständigkeit.

Die drei Stufen des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse (HQR) Bachelor-Ebene, Master-Ebene und Doktorats-Ebene entsprechen den Niveaus 6 bis 8 des DQR.

Definition von Kompetenzen im ...

... DQR

Fachkompetenz

Wissen: Gesamtheit der Fakten, Grundsätze, Theorien und Praxis in einem Lern- oder Arbeitsbereich als Ergebnis von Lernen und Verstehen

Fertigkeiten: Fähigkeit, Wissen anzuwenden und Know-how einzusetzen, um Aufgaben auszuführen und Probleme zu lösen

Personale Kompetenz

Sozialkompetenz: Fähigkeit und Bereitschaft, zielorientiert mit anderen zusammenzuarbeiten, ihre Interessen und sozialen Situationen zu erfassen, sich mit ihnen rational und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu verständigen, sowie die Arbeits- und Lebenswelt mitzugestalten

Selbstständigkeit: Fähigkeit und Bereitschaft, eigenständig und verantwortlich zu handeln, eigenes und das Handeln anderer zu reflektieren und die eigene Handlungsfähigkeit weiterzuentwickeln


(vgl. AK DQR 2011)

... EQR

Kenntnisse: Ergebnis der Verarbeitung von Information durch Lernen. Kenntnisse bezeichnen die Gesamtheit der Fakten, Grundsätze, Theorie und Praxis in einem Arbeits- oder Lernbereich

Fertigkeiten: Fähigkeit, Kenntnisse anzuwenden und Know-how einzusetzen, um Aufgaben auszuführen und Probleme zu lösen

Verantwortung und Selbstständigkeit: Fähigkeit, Kenntnisse und Fertigkeiten selbstständig und verantwortungsbewusst anzuwenden

(vgl. Europäischer Qualifikationsrahmen)

Abbildung 1: Beispielhafte Zuordnung von Niveaus zwischen nationalem und europäischem Qualifikationsrahmen

Die Kompetenzen im Vergleich

Um die Unterschiede und Parallelen zwischen den Niveaus von EQR und DQR aufzuzeigen, sind im Folgenden die Beschreibungen vom jeweiligen Niveau 7 (Master-Ebene) verglichen.

Niveau 7 (DQR)

Wissen
Über umfassendes, detailliertes und spezialisiertes Wissen auf dem neuesten Erkenntnisstand in einem wissenschaftlichen Fach (entsprechend der Stufe 2 [Master-Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse) oder über umfassendes berufliches Wissen in einem strategieorientierten beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.
Über erweitertes Wissen in angrenzenden Bereichen verfügen.

Fertigkeiten
Über spezialisierte fachliche oder konzeptionelle Fertigkeiten zur Lösung auch strategischer Probleme in einem wissenschaftlichen Fach (entsprechend der Stufe 2 [Master-Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse) oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.
Auch bei unvollständiger Information Alternativen abwägen.
Neue Ideen oder Verfahren entwickeln, anwenden und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Beurteilungsmaßstäbe bewerten.

Sozialkompetenz
Gruppen oder Organisationen im Rahmen komplexer Aufgabenstellungen verantwortlich leiten und ihre Arbeitsergebnisse vertreten.
Die fachliche Entwicklung anderer gezielt fördern.
Bereichsspezifische und -übergreifende Diskussionen führen.

Selbstständigkeit
Für neue anwendungs- oder forschungsorientierte Aufgaben Ziele unter Reflexion der möglichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen definieren, geeignete Mittel einsetzen und hierfür Wissen eigenständig erschließen.

Niveau 7 (EQR)

Kenntnisse
Hoch spezialisierte Kenntnisse, die zum Teil an neueste Erkenntnisse in einem Arbeits- oder Lernbereich anknüpfen, als Grundlage für innovative Denkansätze und/oder Forschung.
Kritisches Bewusstsein für Wissensfragen in einem Bereich und an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen.

Fertigkeiten
Spezialisierte Problemlösungsfertigkeiten im Bereich Forschung und/oder Innovation, um neue Kenntnisse zu gewinnen und neue Verfahren zu entwickeln sowie um Wissen aus verschiedenen Bereichen zu integrieren.

Verantwortung und Selbstständigkeit
Leitung und Gestaltung komplexer, unvorhersehbarer Arbeits- oder Lernkontexte, die neue strategische Ansätze erfordern.
Übernahme von Verantwortung für Beiträge zum Fachwissen und zur Berufspraxis und/oder für die Überprüfung der strategischen Leistung von Teams.

Bildung in Deutschland

Ein Zeitstrahl kann hilfreich sein, um die Gesamtheit der Entwicklung des deutschen Bildungssystems darzustellen. Hierbei werden wichtige Ereignisse festgehalten, die zu dem deutschen Bildungssystem, wie es heute ist, beigetragen haben.

1763 Schulpflicht in Preußen

Die von dem Generallandschulreglement in Preußen eingeführte Regelung sieht vor, dass Kinder auf dem Lande vom 5. bis 13./14. Lebensjahr die Schule besuchen sollen. (vgl. bpb o. D.).

1802 Kinderbewahranstalten - Friedrich Fröbel

Die erste Deutsche Aufbewahrungsanstalt wurde 1802 von Fürstin Pauline zu Lippe-Detmold gegründet (vgl. Franke-Meyer 2022). Diese Kleinkinderbewahranstalten waren die Vorgänger der Kindergärten, wie wir sie heute kennen. Durch die Gründung des Allgemeinen deutschen Kindergartens schuf Friedrich Fröbel die Grundlage der praktischen Umsetzung seiner Spielpädagogik (vgl. Milde 2015).

1810 Erste moderne Uni

Wilhelm von Humboldts Vision war eine Universität, die den Studierenden, durch eine Einheit von Lehre und Forschung, eine allseitige humanistische Bildung ermöglicht. Das Konzept einer solchen Universität fand Anklang und verbreitete sich in den folgenden anderthalb Jahrhunderten weltweit (vgl. HU Berlin 2005).

1908 Recht auf Immatrikulation an Universitäten für Frauen

1908 wird Frauen, durch das Angebot von Abiturkursen in höheren Mädchenschulen und das Recht auf Immatrikulation, ein Studium ermöglicht (vgl. bpb o. D.).

1933 Schulverbot für Jüdinnen und Juden

Für Frauen und Juden wird durch das Gesetz gegen die Überfüllung der Zugang zu deutschen Schulen und Hochschulen beschränkt. Das Gesetz wurde vom damaligen Reichskanzler Hitler und seinem Reichsinnenminister Wilhelm Frick unterzeichnet. (vgl. Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen)

1946 Einheitsschule in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ)

In der SBZ greift das Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule. „Auf eine achtjährige einheitliche Pflichtschule mit Differenzierung in der 7. und 8. Klasse (Kurse in einer zweiten Fremdsprache sowie in Mathematik und Naturwissenschaften) baut eine vierjährige Oberschule auf, die zur allgemeinen Hochschulreife führt“ (bpb o. D.).

1947 Demokratisierung des Bildungswesens

Die Kontrollratsdirektive Nr. 54 stellt vier „Grundprinzipien für die Demokratisierung des deutschen Bildungswesens“ dar (bpb o. D.): „1. gleiche Bildungsmöglichkeiten, 2. Schulgeld- und Lehrmittelfreiheit für alle schulpflichtigen Kinder, 3. Stufenaufbau und nicht Mehrgliedrigkeit des Schulsystems (Einführung der Gesamtschule), 4. Lehramtsausbildung an einer Universität oder Hochschule mit Universitätsrang” (bpb o. D.).

1949 Grundgesetz

Im Grundgesetz wird der Bildungsförderalismus festgeschrieben, also die eigenständige Gestaltung von Bildungswesen der einzelnen Bundesländer. Sie sind eigenstaatlich für die Kultur- und Bildungspolitik zuständig (vgl. Jacobi 2013).

1964 Hamburger Abkommen

In der Bundesrepublik Deutschland wurde das Hamburger Abkommen zur Vereinheitlichung im Bereich des Schulwesens unterzeichnet. Damit werden die Bezeichnungen, Organisationsformen und Zeugnisnoten für die Schulen zwischen den Ländern einheitlicher (vgl. bpb o. D.).

1970 Bund-Länder Kommission für Bildungsplanung

Durch eine Verfassungsänderung wird es möglich, dass Bund und Länder gemeinsam Bildungspläne erstellen können. Bildung wird somit zu einer Aufgabe, die von beiden Ebenen gemeinsam gestaltet wird (vgl. bpb o. D.).

1990 Wiedervereinigung

Nach der Wiedervereinigung wird das Bildungssystem der ehemaligen DDR größtenteils umstrukturiert. Gemäß den Bestimmungen des Einigungsvertrags sollten sich die neu vereinten Länder bei dem Ausbau ihrer Bildungssysteme am Hamburger Abkommen orientieren. (vgl. bpb o. D.)

1997 Länderübergreifende Bildungsstandards

Die Kultusministerkonferenz (KMK) beschließt die Entwicklung von länderübergreifenden Bildungsstandards für Abschlüsse in der Mittelstufe, Hauptschulabschluss und für Grundschulabgänger. Diese Standards sollen durch Prüfungen überwacht werden. Die KMK fungiert als Gremium für Beratung und Koordination zwischen Bund und Ländern, das dazu dient, gemeinsame Interessen zu fördern. (vgl. bpb o. D.)

1999 Bolognaprozess

Die europäischen Bildungsminister streben mit der Bologna-Erklärung danach, einen vereinheitlichten europäischen Hochschulraum zu etablieren. Es wird angestrebt, dass jedes Land ein System vergleichbarer Abschlüsse einführt, ein zweistufiges System von Studienabschlüssen (undergraduate/graduate) implementiert und ein Leistungspunktesystem etabliert. (vgl. bpb o. D.)

2001 PISA-Schock

Die Ergebnisse der ersten PISA-Studie zeigen erhebliche Mängel im deutschen Schulsystem auf: Die schulischen Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler liegen bestenfalls im Durchschnitt und in kaum einem anderen teilnehmenden Land ist der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft abhängig wie in Deutschland. Die Erkenntnisse aus der PISA-Studie führen in vielen Bundesländern zu Reformen im Bildungssystem. (vgl. bpb o. D.)

2013 Mehr Studienanfänger als Auszubildende

Erstmals beschlossen in Deutschland mehr Schulabgänger ein Studium zu beginnen als eine berufliche Ausbildung zu verfolgen (vgl. bpb o. D.).

2015 Willkommensklassen für Flüchtlinge

Als Antwort auf die steigende Anzahl der Zuwanderer aus Kriegsgebieten organisierten die Länder die sogenannten „Willkommensklassen“ zur Förderung der Integration von Migrantenkindern ohne Deutschkenntnisse. Außerdem boten mehr als 180 deutsche Hochschulen mithilfe des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) Vorbereitungsprogramme an für potentiell studierfähigen Flüchtlingen. (vgl. bpb o. D.)

Literaturverzeichnis

AK DQR Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (2011): Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 21.08.2023].

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. D.): Der DQR – DQR und EQR. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 18.07.2023].

B-L-KS DQR Bund-Länder-Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (2023): Liste der zugeordneten Qualifikationen. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 21.08.2023].

bpb Bundeszentrale für politische Bildung (o. D.): Zeitleiste. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 20.08.2023].

Deutscher Bundestag (2014): Staatliche Aufgaben sind grundsätzlich Ländersache. In: Webarchive des Deutschen Bundestages. Online verfügbar unter:  Link [Zugriff: 12.07.2023].

europass (o. D.): Europäischer Qualifikationsrahmen. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 21.08.2023].

Franke-Meyer, D. (2016): Geschichte der frühkindlichen Bildung in Deutschland. In: bpb.de, 20.12.2016. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 21.08.2023].

Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen (1933): gemäß Fassung vom 26.04.1933 (Deutsches Reichsgesetzblatt 1933 Teil I S. 225).

HU Berlin Humboldt-Universität zu Berlin Online Redaktion (2005): Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 11.07.2023].

Jacobi, J. (2013): Meilensteine des deutschen Bildungssystems. In: bpb.de, 09.09.2013. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 12.07.2023].

Milde, I. (2015): Friedrich Fröbel: Der Vater des Kindergartens. In: Deutschlandfunk, 28.06.2015. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 11.07.2023].

Rat der Europäischen Union (2017): Empfehlung des Rates vom 22. Mai 2017 über den Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen und zur Aufhebung der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen. In:  Amtsblatt der europäischen Union 2017/C 189/03 vom 22.05.2017.

Tenorth, H.-E. (2014): Kurze Geschichte der allgemeinen Schulpflicht. In: bpb.de, 06.06.2014. Online verfügbar unter: Link [Zugriff: 12.07.2023].

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